Jeden Dienstagabend ist die Welt zu Gast im Gröninger Hof: Beim Deutschkurs der Flüchtlingshilfe Harvestehude, den eine engagierte Genossin mit ihrer Kollegin ehrenamtlich anbietet.
Ein weißes Brett, provisorisch an die Wand gelehnt, ein Flipchart-Marker und zwei Sofas – mehr braucht es nicht, um den Lerneifer in diesem besonderen Deutschkurs zu entfachen. Dörte Hausbeck und Monika Meinecke helfen Menschen aus aller Welt, sich auf die B1-Prüfung vorzubereiten – eine Prüfung auf fortgeschrittenem Lernniveau.
„Ich habe einen Tisch, der mir sehr viel bedeutet“ schreibt Ali einen Satz aus seinem Handy ans weiße Brett. Welche Satzteile können wir umstellen? Wann müsste der Relativsatz im Dativ stehen? Solche kniffligen grammatikalische Fragen werden hier mit großem Eifer erörtert – bis Shpresa meint: „Das ist C1 Niveau“ und mit Monika in den Nebenraum geht, um grundlegendere Dinge zu lernen. Schließlich wird von Moein noch die Sinnhaftigkeit des Beispielsatzes hinterfragt: Kann ein Tisch wirklich jemandem etwas bedeuten? Und schon geht das Gespräch ins Philosophische, wo es eine ganz Weile lang bleibt.
Eine solche Lernatmosphäre ließe jedem Bildungsexperten Freudentränen in die Augen steigen. „Ich mache das mehr nach dem Prinzip Learning by doing – und habe mittlerweile auch ein bisschen Erfahrung“, beschreibt Dörte, die keine ausgebildete Lehrerin ist, ihr didaktisches Vorgehen. Es gibt hilfreiche Lehrbücher und die Bereitschaft, zu Hause auch mal was nachzulesen, wenn die Fragen der Teilnehmenden sie an ihre Grenzen bringen. Und außerdem hat sie Spaß am Unterrichten und den Begegnungen mit den vielfältigen jungen Menschen – und das verbindet.
An der Werkstatt gefällt ihr das Provisorische – und die halb öffentliche Atmosphäre durch das große Schaufenster. „So wird eine kulturelle Vielfalt im Projekt sichtbar“, meint Dörte. Die Teilnehmenden kommen aus ganz Hamburg, nehmen teils weite Anfahrtswege in Kauf. Vieles erklären sie sich auch gegenseitig. Als Moein und sein Bruder Mobin sich auf eine Frage hin gleichzeitig melden, entscheidet das Plenum, dass dem Älteren der Vortritt gebührt.
Zum Schluss werden unter Gelächter noch grundlegende Fragen diskutiert: Wenn ein Mann eine Frau einlädt, ihr Kleider kauft, Ausflüge mit ihr macht und dann will sie ihn trotzdem nicht heiraten – hat sie ihn dann „erobert“? Interessante Frage. Daran ließe sich bestimmt noch ein ganzer kulturspezifischer Kosmos anknüpfen, aber die Zeit ist um und der Wissensdurst noch lange nicht gestillt.
Übrigens: Die Flüchtlingshilfe sucht laufend ehrenamtliche Kursleiter*innen. Vielleicht ja auch eine Option für die eine oder den anderen Genossen?
Bilder und Text stammen von Elke Mußmann